36 Emzelgebietc.
Bedeutung der Ostsee in der Geschichte der deutschen Seeschiff-
sahrt. Die schwache Flut der Ostsee, die zahlreichen, den Verkehr erleichternden
Gestadeinseln und Halbinseln, die vielen Buchten, Förden und Haffe, die eimnün-
denden schiffbaren Flüsse und ganz besonders die Nähe der Gegengestade boten
die günstigsten Bedingungen für die Anfänge der deutschen Seeschiffahrt. An der
buchtenreichen wendischen Küste im W. der Ostsee mit den Städten Lübeck,
Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald war der Hauptsitz der Hansa, und von
hier aus trugen die Hanseaten den Ruf deutscher Kraft und Macht weithin über die
Gestadeländer der Ost- und Nordsee. Die Ostsee, ein Binnenmeer, wurde dank
ihrer eigenartigen Natur die Wiege der deutschen Seeschiffahrt und des deutschen
Zeehaudels.
Seit der Wiederaufrichtung des deutschen Kaisertums gewann das Deutsche
Reich mit erstaunlicher Raschheit wieder Seegeltung, und auch die Bedeutung
der Ostsee hat sich infolgedessen wieder wesentlich gehoben, zumal nun auch der
Nordostseekanal das ganze Ostseegebiet dem Weltverkehr näher gerückt und die In-
dustrie in der Mark und in Schlesien sich wesentlich gehoben hat.
Heute ist Stettin (235000 6.) hauptsächlich infolge des Aufschwungs der
Reichshauptstadt die erste preußische Seehandelsstadt an der Ostsee. Nach der Bollen-
dung des Großschiffahrtswegs nach Berlin wird es noch an Bedeutung gewinnen.
Lübeck, Stralsund und Warnemünde vermitteln den Verkehr nach N., Tanzig
und Königsberg hauptsächlich den nach dem Russischen Reiche, Kiel mit dem
deutschen Reichskriegshafen endlich schirmt den friedlichen Wettbewerb des dent-
fchen Kaufmanns in der Ostsee und zugleich die deutsche Wasserstraße nach der
Nordsee.
Tie größere Entfernung der Ostsee vom Weltmeer, ihre langanhaltende Ver-
eisung, endlich die Tatfache, daß ihre Uferstaaten vorwiegend Äckerbau treiben,
schränken ihre Bedeutung für den Verkehr naturgemäß eiu.
Die Grundlagen der deutschen Seemacht.
Tie Bedingungen für die Entwicklung Deutschlands zu einer Seemacht scheinen
nicht sonderlich günstig zu sein. Es fehlt dem Deutschen Reich vor allem die unmittel-
bare Berührung mit dem Ozean, und seine Küsten sind, wie die holländische, vorwie-
gend slach und durch ausgedehnte Sandbänke und Untiefen gefährlich („Nordsee—
Mordsee"). Dazu haben sie auch eine wesentlich geringere Ausdehnung als die der
europäischen Westmächte. Gleichwohl sprechen zahlreiche Gründe für unser Recht
auf das Meer.
1. Geographische Gründe. Das Deutsche Reich hat Anteil an der Nord-
und Ostsee, und durch diese wird es mit ihren Gestadeländern und den überseeischen
Gebieten verknüpft.
Tie Länge der deutschen Küste macht immerhin ein Viertel der gesamten
Landesgrenze aus. _ ^
Tie Hauptabdachung des Landes geht nach dem Ozean; alle deutschen Ströme
— die Donau ausgenommen — streben nach der Nord- und Ostsee hin und setzen
dadurch das Meer mit einem weitausgedehnten und sehr produktiven Hinterland
in Verbindung.
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sa^brik in Essen. (Zu Abschnitt V.) Nach einer Originalaufnahme der Sl.-O. Krupp, Essen.
Ihre Haupterzeugnisse, Gußstahlkanonen, Geschosse und Panzerplatten, gelten als unübertroffen. Großartig sind
die Wohlfahrtseinricktungen der Fabrik, die Fürsorge für Wohnung, Ernährung und Fortbildung der Arbeiter,
für Kranke und Genesende. „Der Zweck der Arbeit," sagte Alfred Krupp, „soll das Gemeinwohl sein; dann bringt
Arbeit Segen, dann ist Arbeit Gebet."
Nach einer Photographie von Wilhelm Fülle, Barmen.
Schwebebahn in Elberfeld-Barmen. (Zu Abschnitt Vii.)
Der ungemein rege Berkehr im industriereichen Wuvpertal ist über die natürlichen Schranken des Gebiets hinaus-
gewachsen, und der erfindungsreiche Geist der deutschen Technik hat zu seiner Bewältigung die Schwebebahn in
Elberfeld-Barmen geschaffen. Die Wagen dieser 13vz km langen Bahn hängen an einer Schiene, die an einem
eisernen Drahtgerüst befestigt ist, und gleiten auf dieser, von elektrischer Kraft getrieben, dahin. Das Schwebegleis
wurde teilweise über der Wupper angelegt, um den Straßenverkehr in dem engen Tal nicht noch mehr zu
belasten. Hier sausen die Wagen unbehindert dahin und erreichen eine Geschwindigkeit bis zu 40 km. Die Halte-
stellen befinden sich meist bei den Wupperbrücken.
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Extrahierte Personennamen: Krupp Alfred_Krupp Wilhelm_Fülle Wilhelm
Die deutschen Landschaften und Stämme. 53
Maschinen, Frankenthal Zucker, Pforzheim und Hanau sind durch ihre Edel-
metallwaren bekannt; Mannheim ist der Endpunkt der Großschiffahrt auf dem
Rhein — nur wenige Schiffe fahren bis Straßburg weiter — und daher der
größte Stapelplatz des süddeutschen Handels, namentlich in Getreide, Petroleum und
Kolonialwaren, Frankfurt ist einer der ersten Geldmärkte, Mainz der bedeutendste
Weinmarkt Süddeutschlands.
Sehr gewerbetätig sind auch die Frankenlande, namentlich das erfin-
dungsreiche Nürnberg, dessen Spielwaren und Lebkuchen weltbekannt sind wie
seine Bleistifte, seine Elektrizitätswerke und seine Maschinenfabriken, zu schweigen
von der altberühmten, wunderbar mannigfaltigen Kleinindustrie der Stadt.
Neben Nürnberg verdienen Erwähnung die Nadelfabriken Schwabachs, das Er-
langer (Universität) und Kulmbacher Bier, die Spinn- und Webe-Jndustrie in
Hof, Bayreuth und Bamberg, die Lichtenfelser Korbwaren, die Granit-
industrie im Fichtelgebirg, die chemischen Fabriken von Schweinfurt und Höchst,
die Schaumweinfabrikation der alten Bischofs- und Universitätsstadt Würzburg.
In Schwaben ist die alte und höchst mannigfaltige gewerbliche Tätigkeit Haupt-
sächlich an den Flußfaden des Neckars gebunden, dessen Wasserkräfte wie die seiner
Nebenflüsse seit langem in Dienst genommen worden sind. Da folgen den Strom
entlang oder in seiner Nähe aufeinander: die idyllische Landesuniversität Tübingen,
Rottweil mit großer Pulverfabrik, Reutlingen mit Gerbereien und Eisenwaren,
Göppingen mit Maschinenbau und Webereien, Geislingen mit seinen geschmack-
vollen Christoflewaren und Eßlingen mit Lokomotivbau; Stuttgart ist der Haupt-
platz für das süddeutsche Buchgewerbe; Cannstatt hat Bäder und Maschinen; Heil-
bronn am Ende der Neckarschiffahrt versieht Württemberg mit Kolonialwaren und
hat vielerlei Industrie; Aalen am Kocher ist der Mittelpunkt der württembergischen
Eisengewinnung; Hall am gleichen Flusse und Heilbronn besitzen reiche Salzlager;
Gmünd erzeugt Edelmetallwaren.
Lothringen, die westliche Grenzmark des Reichs, mit der starken Festung
Metz und vielen Schlachtorten (Welchen?) ist das wichtigste Eisenerzgebiet Mittel-
europas als Fundstätte des Minetteeisens.
Bevölkerung. In das Süd westdeutsche Landbecken teilen sich die Pfälzer,
Alemannen oder Schwaben und die Mainfranken. Die Pfälzer, den Rhein-
franken zugehörend, nehmen die nördliche Rheinebene bis Weißenburg und Karls-
ruhe, die Alemannen oder Schwaben den Süden und den größten Teil des König-
reichs Württemberg ein. Die Mainfranken endlich erfüllen hauptsächlich die drei
fränkischen Kreise in Bayern.
Das Südwestdeutsche Landbecken in der Geschichte. Der Rhein. Es ist ohne weiteres
klar, daß ein mit so reichen Naturgaben bedachtes und von geistig so regsamen Volksstämmen
bewohntes Gebiet bestimmt ist, eine große Rolle in der Geschichte und Kultur des deutschen
Volkes zu spielen. In der Tat darf man den Rhein zu allen Zeiten einen Strom
der Kultur nennen. Cäsar mit seinen Legionen trug zuerst die Leuchte der Geschichte
in dieses Land. Römische Kolonisten rodeten die Wälder, pflanzten die Rebe und
legten Städte an. Basel (Augusta Rauracorurn), Straßburg (Argentoraturn), Speyer
(Noviornagus) und Mainz (Moguntiacurn) ebenso wie Köln (Colonia), Neuß (Novaesiurn)
und Xanten (Castra vetera) führen auf römischen Ursprung zurück. Seit den Zeiten
der Völkerwanderung ist der Rhein von Deutschen umwohnt, er ist „Deutschlands
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Dunenkuste der Nordsee bei Norderney.
Die Nordseeküste ist in ihrem heutigen Aussehen hauptsächlich das Werk der Winde. Die Südwestwinde haben den vom Meere abgelagerten Flugsand zu Hügeftt von 30 bis 40 m
Höhe angehäuft und Sturmfluten haben diese wieder zerrissen und zu Inseln umgeformt. Wo der Sand unverhüllt zu Tage tritt, erkennt man genau die einzelnen angewehten
Sand.chichten, die wie die Gesteinsschichten der Gebirge übereinander folgen. Auch in den mannigfach eingeschnittenen Erhebungen gleichen die Dünen kleinen Gebirgen. Auf
den flachen Abhängen und den Kämmen der Dünen gedeihen hauptsächlich verschiedene Dünengräser,' weiter landeinwärts abgelöst von Heidekraut und dann von Kiefernaufschlag.
Die Bewohner unterstützen den Pflanzenwuchs mit allen Mitteln, da er es ist, der die Dünen vor dem Wandern hindert und so die fruchtbaren Marschen schützt.
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Tie deutschen Meere und ihre Küsten. 37
Auch fehlen nicht gute natürliche Hafenplätze; solche bieten die langgestreckten
Förden von Schleswig-Holstein und die breiten Trichtermündungen der großen
Ströme, an denen auch "Deutschlands Haupthandelshäsen emporgewachsen sind.
Dazu ist die Nordsee durch ihre ganze Natur, insbesondere durch ihre heftigen
Stürme, eine vortreffliche Schule für den Seemann.
2. Wirtschaftliche Gründe. Die starke Zunahme der Bevölkerung
des Deutschen Reiches (jährlich um 800 000 Seelen) veranlaßte alljährlich Tausende
unserer Landsleute zur Auswanderung in überseeische Gebiete, so daß wir schon
aus diesem Grund ein lebhaftes Interesse daran haben, den Verkehr zur See auf-
rechtzuerhalten, um gegebenenfalls den in der Fremde lebenden Stammesgenoffen
den Schutz des Vaterlands angedeihen zu lassen^).
In den überseeischen Gebieten sind in landwirtschaftlichen und gewerblichen
Unternehmungen weit über 10 Milliarden deutscher Kapitalien angelegt, vor allem in
Amerika; aber auch in Asrika, Australien und manchen Teilen Asiens arbeiten
Hunderte von Millionen deutschen Geldes.
Unsere Industrie bezieht einerseits einen großen Teil ihrer Rohstoffe (nahezu
%) aus fernen Ländern, z. B. Baumwolle, Seide, Wolle, Tabak, Kautschuk, ander-
seits bedarf sie der Beziehungen zu diesen Ländern für den Absatz ihrer Erzeug-
niffe^). Auch unser Bedarf an Brotgetreide und Fleisch kann nicht völlig durch
die deutsche Landwirtschaft gedeckt werden, und wir sind daher auf Zufuhr von
auswärts, vor allem auch aus überseeischen Gebieten, angewiesen.^)
Die deutsche Handelsflotte hat in den letzten Jahrzehnten so große Fort-
schritte gemacht, daß sie heute in ihrer Leistungsfähigkeit unter allen Welthandels-
flotten den zweiten Rang einnimmt. (S. S. 86).
Der deutsche Außenhandel, der 1911 einen Gesamtwert von 17,8 Mil-
liarden Mark darstellt (England 21 Milliarden Mark) und der mit jedem Jahr
zunimmt, ist zum weitaus größeren Teile Seehandel; es entfallen auf ihn reich-
lich 2/3 des gesamten deutschen Außenhandels.
Ein erhöhtes Anrecht auf die See verleiht uns endlich die Erwerbung unseres
ausgedehnten Kolonialbesitzes.
3. Geschichtliche Gründe. Wo immer deutsche Stämme an die Küste
herantraten, ward das Meer für sie eine willkommene Schule der Tatkraft, der Unter-
nehmnngslust und des Kriegsmuts, und die deutsche Dichtung verherrlicht neben den
tragischen Kämpfen der Stämme im Binnenland in gleich hohen Tönen das Ringen
der deutschen Seekönige; neben dem Nibelungenlied steht die Gudrundichtung.
1) 1907 wanderten 31696 Deutsche aus. Im Ausland leben 3 Millionen geborene
Deutsche und 799 Wo Reichsangehörige. 8—9 Mill. sprechen in den Vereinigten Staaten die
deutsche Sprache.
2) Einfuhrwerte wichtiger von Übersee bezogener Rohstoffe i. I. 1919: S. auch S. 36ff.)
Baumwolle . . 561 Mill. Mk. Rohseide ... 147 Mill. Mk.
Schafwolle . . 399 „ „ Chilesalpeter . . 134 „
Kautschuk und Palmkerne und
Guttapercha . 279 „ „ Kopra ... 179
3) Einfuhr von Getreide (1910): 687 Mill. M., von Rindvieh 159 Mill. M.
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Extrahierte Ortsnamen: Schleswig-Holstein Amerika Australien England
Der deutsche Handel.
21
Jm Jahre , 1u5
l</ert im 22
Mtuiarden 27
Mark : 2 Q
Lange vernachlässigt wurde die Fischerei. Man schenkt ihr aber in neuester
Zeit erhöhte Aufmerksamkeit, namentlich auch der Seefischerei. Immerhin ist
Deutschlands Anteil an der Hochseefischerei der Welt noch recht gering (3%, Eng-
land 22%, Norwegen 13%). Es werden daher noch für viele Mill. M. Fische ein-
geführt^). Die Hochseefischerei liefert namentlich Heringe und Kabeljaus (ge-
trocknet: Stockfisch).
Vi. Der deutsche Handel.
Unter den Ländern Europas besitzt Deutschland nächst England die günstigsten
Bedingungen zur Entfaltung eines reichen Handelslebens, ja in mancher Hinsicht
erscheint es seinem gefährlichsten Mitbewerber auf dem Weltmarkt sogar überlegen.
Die bisherige Überlegenheit Englands ist ungleich mehr in geschichtlichen als in
geographischen Ursachen begründet.
Mit England teilt das Reich die Lage an der Nordsee, dem verkehrsreichsten
Randmeer des Atlantischen Ozeans. Aber es ist zugleich auch das wichtigste Durch-
gangsland des europäischen Binnenverkehrs.
Als die Hebel der modernen Industrie betrachtet man mit Recht Kohle und
Eisen, und Englands Reichtum an diesen beiden Mineralien begründete nicht zum
wenigsten den riesenhaften Aufschwung sei-
nes Handels und Verkehrs seit dem Beginn
des vorigen Jahrhunderts. Aber die Massen-
hafte Ausbeutung der Lager muß auch zu
ihrer frühzeitigen Erschöpfung führen, wo-
gegen eine starke Ausnutzung der deutschen
Eisen- und Kohlenschätze erst begonnen hat.
Unter der Annahme der heutigen Förde-
rungsmengen werden die Kohlenlager Eng-
lands schon nach 200—300 Jahren, die
Deutschlands erst nach 600—1000 Jahren
erschöpft sein. Während die Eisenvorräte
Englands auf 250 Millionen Tonnen ge-
fchätzt werden, veranschlagt man die deut-
scheu auf das 10 fache.
Dazu kommt, daß Deutschlands Be-
völkerung die Englands um mehr als 15 Mil-
lionen übertrifft und daß die deutsche Volks-
bildung allgemeiner ist und mehr und mehr, wie auch die wissenschaftliche Bildung,
eine praktischere Gestaltung annimmt. — Erst vor wenigen Jahrzehnten ist Deutsch-
land auch in die Reihe der Kolonialmächte eingetreten.
In der Tat hat Deutschland im verhältnismäßigen Anwachsen seines
Handels England weit überflügelt (fiehe S. 1 Anmerkung). Heute ist der deutsche
Außenhandel mit 17,8 Milliarden M. (1911) der zweitgrößte der Welt.
Nur der Außenhandel Großbritanniens mit über 21 Milliarden M. geht noch
darüber hinaus.
') Wert der Fischeinfuhr 1907 :87 Mill. M.
1900 1905 1903 1909 1910 1w
21,1
17s
Außenhandel der wichtipsten Welthandclsstaaten
in Milliarden Mark.
Deutschland
— England
+++ Ver. Staaten
-----Frankreich
......Niederlande.
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Norwegen Europas Deutschland England Englands Nordsee Englands Deutschlands Englands Deutschlands Englands Deutschland England Großbritanniens Deutschland England
Phowflraphic von 3d)iiar it. Dlithc, Trier,
Rheinb rücke bei Bonn. (Zu Abschnitt Vii.)
Die hohe Entwicklung der Industrie hat in den Rheinlanden auch eine außerordentliche Steigerung des Verkehrs zu
Land und zu Wasser erzeugt, und die wachsenden Ansprüche stellen der Technik immer neue und schwierigere Auf»
gaben. Besonders im Brückenbau offenbart sich die verkehrstechnische Entwicklung eines Landes, und in dieser Hin-
sicht steht Deutschland mit England und Amerika in edlem Wettbewerb. Wahre Wunderwerke der Brückenbaukunst
überspannen den Rheinstrom bei Kehl, Mannheim—ludwigshasen, Mainz, Koblenz, Bonn, Köln, Düsselvdrf und
Duisburg, die dem Eisenbahn-, Fuhrwerk- und Personenverkehr gleichermaßen dienen und deren Herstellung
Millionen gekostet hat.
Kaiser W i l h e l m - B r ü ck e bei M ü n g st e n. (Zu Abschnitt Vii.)
Alle Brückenbauten Teutschlands und in Hinsicht auf ihre Höhe (107,6 in) alle Brücken der Welt übertrifft die Kaiser
Wilhelm-Brücke bei Müngsten. Das schluchtartige Wuppertal vermag den Verkehr seiner zahlreichen Fabrikstädte
und insbesondere den direkten Verkehr zwischen Solingen und Remscheid nicht mehr zu tragen. Man erbaute daher
die Brücke bei Müngsten, einem kleinen, in der Richtung Solingen—remscheid an der Wupper liegenden Lrt. In
einem gewaltigen Bogen schwingt sich die 500 m lange Riesenbrücke über die Talenge der Wupper mit einer Spann«
weite von 170 m. Sie übertrifft in ihren Dimensionen die kühnsten Brückenbauten Amerikas und gilt mit Recht
als ein Wunderwerk der Technik.
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Extrahierte Ortsnamen: Trier Rheinb Bonn Rheinlanden Deutschland England Amerika Rheinstrom Kehl Mainz Koblenz Bonn Duisburg Wuppertal Solingen Remscheid Amerikas
10
Deutsche Geschichte bis zur Gründung de» nationalen Staat- 919.
wesentliche Ursache der Völkerwanderung. Dazu kam, daß die höhere Kultur und die vielfachen Genüsse des römischen Lebens etwas Verlockendes für viele von ihnen haben mußten. So traten denn zahlreiche Germanen in das römische Heer ein, das schließlich fast ganz aus Barbaren bestand; oder sie ließen sich als zinspflichtige Leute auf den Grundstücken römischer Gutsherren ansiedeln. Ganze Stämme wanderten mit Zustimmung der Behörden ein, ließen sich Land verleihen und übernahmen die Pflicht, das Reich gegen ihre eigenen Landsleute zu verteidigen.
Seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts n. Chr. wurden aber auch die kriegerischen Angriffe immer heftiger. Zu den Zeiten des Kaisers Mark Aurel (um 170) griffen die Markomannen Jahr für Jahr die Grenze an. Kurze Zeit später traten die Namen neuer Völker auf, die durch Better ^en Zusammenschluß kleinerer Völkerschaften entstanden waren. Die Franken saßen am Niederrhein und suchten von dort nach Gallien einzudringen; die Alamannen (auch Sweben, Schwaben genannt) überschritten den römischen Grenzwall und eroberten das dahinter liegende „Zehntland"; die Sachsen, welche im heutigen Hannover, Oldenburg und Westfalen wohnten, machten mit ihren Schiffen die Meere unsicher und brandschatzten die Küsten. Die Goten endlich verließen ihre Sitze an der unteren Weichsel, wanderten nach den Küsten des schwarzen Meeres, und die Römer mußten ihnen die Lande an der unteren Donau überlassen.
Die Goten sind das erste germanische Volk, unter dem das Christentum Eingang fand, und zwar in der Form, wie es der Kirchenlehrer Arius Wulsila. gelehrt hatte. Wulfila, der Sohn römischer Kriegsgefangenen, verbreitete es bei einem Teile der Goten, deren Bischof er wurde. Er hat auch die Bibel in das Gotische übersetzt, und diese Bibelübersetzung ist das früheste Denkmal der deutschen Sprache.
Der Einbruch der Hunnen und die Gründung germanischer Ttaatcn auf dem Boden des weströmischen Reichs.
§ 9. Hunnen und Goten. Schon mehrere Jahrhunderte dauerte der Ansturm der Germanen auf das römische Reich, als ein Ereignis eintrat, das in seinen Folgen zu einer Überflutung des weströmischen Reiches durch Me germanische Scharen führte. Im Jahre 375 brachen die Hunnen, ein mongolisches Reitervolk von häßlichem Aussehen und rohen Sitten, das aus dem mittleren Asien stammte, keinen Ackerbau trieb, sondern sich von Viehzucht ernährte und nomadisch von Ort zu Ort wanderte, über die Wolga in Europa ein. Sie trafen in Südrußland zuerst auf die Ostgoten, deren König, der mehr als hundertjährige Ermanarich, sich den Tod gab, und unter-
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Extrahierte Personennamen: Arius_Wulsila
Extrahierte Ortsnamen: Gallien Schwaben Sachsen Hannover Oldenburg Westfalen Donau Asien Europa Südrußland
Friedrich I. Barbarossa 1152—1190.
55
Kampfe dem Aufgebot der lombardischen Städte. Der Kaiser selbst stürzte mit dem Rosse und galt für tot: erst einige Tage später fand er sich bei dem Reste seines Heeres wieder ein.
Jetzt änderte Friedrich seine Politik. Hatte er es bisher darauf abgelegt, eine unumschränkte kaiserliche Macht in Italien zu begründen, so zeigte er sich nunmehr zu Zugeständnissen an seine Gegner bereit. Zuerst mit kam er in Venedig mit dem Papste zusammen, einem bei allem Stolze edlen, hochdenkenden und versöhnlichen Kirchenfürsten. In der Markuskirche 6atben küßte er ihm die Füße, wurde von ihm aufgehoben und erhielt den Friedenskuß. Dann schloß er mit den Lombarden Frieden. Sie huldigten dem Kaiser und leisteten den Eid der Treue, erhielten aber das Recht, ihre Beamten zu wählen und ihre Angelegenheiten selbständig zu verwalten.
§ 58. Der Sturz Heinrichs des Löwen. So war der italienische 6freix. Krieg beendet, und der Kaiser konnte sich der Aufgabe zuwenden, in Deutschland sich Gehorsam zu verschaffen und insbesondere Heinrich den Löwen zu demütigen. Heinrich, der Besitzer der Herzogtümer Sachsen und Bayern, der am Fuße der Alpen ebenso wie ant Strande der Nordsee gebot, hatte, während Friedrich in Italien beschäftigt war, seine gewaltige Macht zu Eroberungen im östlichen Holstein, Mecklenburg und selbst in Pommern benutzt; dadurch hatte er nicht nur für sein Haus, sondern für das Deutschtum Großes geleistet. In jenem Jahrhundert begann eine große, nach Osten gerichtete Bewegung des deutschen Volkes; Deutsche wie an der Ostsee Heinrich der Löwe, so waren in Brandenburg Albrechtnrsation. der Bär und in der Mark Meißen das Fürstenhaus der Wettiner für das Deutschtum tätig. Deutsche Bauern wurden in den bisher slavischen Gebieten angesiedelt, deutsche Mönche bauten Klöster und wirkten für die Bekehrung der Urbewohner und zugleich für die Urbarmachung des Landes, deutsche Ritter gründeten Burgen und verteidigten das neugewonnene Land gegen fremde Angriffe; deutsche Städte endlich entstanden, wie Lübeck, Brandenburg und im nächsten Jahrhundert auch die Doppelstadt Berlin-Kölln. So wurden Lande, die einst schon germanischer Besitz gewesen waren, von neuem für deutsches Wesen und zugleich für das Christentum gewonnen und einer höheren Kultur zugeführt.
Durch feine kluge und tatkräftige Politik war aber Heinrich derbfget^e3n Löwe so mächtig geworden, daß er geglaubt hatte, feinem Lehnsherrn den Sturz. Gehorsam versagen zu dürfen. Auch jetzt stellte er sich, obwohl viermal vorgeladen, dem Kaiser nicht. Als dieser jedoch nach Sachsen zog, als die vielen Gegner, die sich Heinrich durch seinen rücksichtslosen Stolz zugezogen
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_I. Barbarossa Barbarossa Friedrich Friedrich Heinrichs Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Friedrich Friedrich Heinrich Heinrich_derbfget^e3n Heinrich Heinrich Heinrich
— 179 —
Einrichtungen aber war gering; im Vergleich freilich mit dem Zustand der Stadt zur Zeit des 7jährigen Krieges war ein Fortschritt anzuerkennen. Die Einwohnerzahl, die um 1800 fast 17 000 Personen betrug, war um 2500 gestiegen, der Handel hatte sich gehoben, und auch das Gewerbe erfreute sich einer gewissen Blüte. Die Wareneinfuhr erstreckte sich hauptsächlich auf Leder und Baumwolle für die Fabriken, auf Kolonial-, Schnitt- und Kurzwaren, auf Fische und fremde Weine. Der Ausfuhrhandel bezog sich auf die Erzeugnisse des Erfurter Gewerbefleißes, unter denen fchon damals die Schuhe und Gartenerzeugnisse obenan standen. Ein anderer Gewerbezweig, die Herstellung von Wollwaren, hatte leider durch die Abtretung des linken Rheinufers, feines Hauptabsatzgebietes, an Frankreich eine fast vollständige Vernichtung er-sabren.
Auf der Assemblee beim Statthalter: Noch in anderer
Beziehung war die Tätigkeit Dalbergs für die Erfurter von Bedeutung. Er richtete auf der Statthalterei Assemblern (Versammlungen) ein, die für die Ausbildung des gesellschaftlichen ^ottes von gutem Erfolg waren. Jeder anständig gekleidete Bürger oder Fremde hatte Zutritt zu diesen Versammlungen, die jeden Dienstag von 5 bis 8 Uhr abends in dem großen Saale und den anstoßenden Zimmern der Hofstatt stattfanden. Kein Unterschied der Stände war sichtbar. Adlige und Bürgerliche, Staatsbeamte, Künstler und Handwerker, Damen von hohem Rang und Bürgertöchter, alle vereinigte hier der Zweck angenehmer Unterhaltung. Man spielte Karten und Gesellschafts- und Pfänderspiele und ließ sich auf dem Flügel und anderen Instrumenten hören. Nach der Assemblee zog der gebildete Statthalter bedeutende Männer zur Abendtafel. — Dalberg selbst war die Seele der Versammlung. Er mischte sich stets unter die bunte Menge, die den großen Saal und die Zimmer füllte und sprach mit jedem einige Worte. Er freute sich herzlich, wenn die Gesellschaft sich einer unbefangenen Fröhlichkeit überließ. Zuweilen wurden auch Bälle gegeben, zu welchen die an solchen Tagen anwesenden Teilnehmer der Assembleen eingeladen wurden. Goethe, Wieland, Schiller, Herder und andere berühmte Männer waren oft zugegen, besonders aber Schiller, der sich einst zwei Monate mit seiner Gattin in Erfurt aufhielt (f. Nr. 63). Selbst regierende Fürsten, Prinzen und Prinzessinnen
erblickte man oft in diesem Gesellschaftskreise, der alle Stände
vereinigte.
Leben und Treiben in Erfurt: Auch das sonstige Leben
in Erfurt war von einem Hauch der Gemütlichkeit durchweht, was bei der „beständigen Heiterkeit und Fröhlichkeit", dem Hauptwefeus-
zug der Erfurter jener Tage, Wohl zu verstehen ist. Nirgends in
Thüringen verstand man Feste besser zu feiern als in Erfurt. Das schönste Volksfest des Jahres war das Vogelschießen der schon lange bestehenden Schützengesellschaft, das mit allen alten, feierlichen Ge-
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